Der Film behandelte unterschwellig ein in der DDR heikles Thema: Die Umwelt- verschmutzung durch die Industrie. Damit brach er ein Tabu und wäre 10 Jahre zuvor sicher verboten worden.
Da soll ein alter verdienstvoller Werkmeister des Bitterfelder Chemiekombinats mit einem ehrenvollen Bankett in den Ruhestand verabschiedet werden. Das schmeckt dem Alten aber gar nicht. Er steigt aus, durchbricht das gewohnte Ritual, geht gewissermaßen durch die Wand…
Dieter Heidenreich hatte sofort eine gute Bildidee, er ließ den dynamischen Titelhelden durch eine Fabrikwand treten. Jedoch beim Parteisekretär des Progress- Filmvertriebs, der den Entwurf mit geübtem Zensorenblick prüfte, stieß er auf Ablehnung. Ein Mann, der durch die Mauer bricht, die »Mauer« überwindet, das ging im Mauer-Staat DDR auf keinen Fall.
Er musste einen zweiten Entwurf liefern und ließ nun den »proletarischen Helden-Darsteller« wütend ins Nichts schreiten und wenn man genauer hinsieht, »ein Arbeiterdenkmal« vom Sockel steigen …
So hatten sich im Laufe der Jahrzehnte vor allem im Bereich des Kulturplakats Qualität und Vielfalt zu einer eigenen »Plakatkultur der DDR« entwickelt. Mit einer schriftlichen Abhandlung über »Kulturplakat und Plakatkultur« erwarb Dieter Heidenreich 1986 ein externes Diplom für Buchgestaltung und Illustration bei den Professoren Gert Wunderlich und Rolf Kuhrt an der Hochschule Leipzig.
Inzwischen hatte er seine Auftragsmappe erweitern können, für »Amiga« und »Eterna« Schallplattenhüllen gestaltet und erstmals 1981 ein Kinderbuch mit zauberhaften, eleganten, farbigen Zeichnungen illustriert, »Die Abenteuer und Heldentaten des ruhmreichen Grashüpfers Men«, ein vietnamesisches Märchen im Verlag Volk und Welt. Damit erschloss er sich die Buchgrafik als ein weiteres reizvolles Gestaltungsfeld.
Es gab auch eine »Buchkultur der DDR«, trotz holzhaltigem Papier und manch ideologischem Holzhammer. Der Wettbewerb der »Schönsten Bücher« stellte hohe Qualitätsansprüche. Verlage, Gestalter und Druckereien wetteiferten. Das Buch galt als Gesamtkunstwerk und die Illustration als eine der vornehmsten Aufgaben des Buchgestalters.
Darum bemühte sich auch die Berliner Arbeitsgruppe Illustration in der Sektion Gebrauchsgrafik des Verbandes Bildender Künstler, die Dieter Heidenreich von 1988 bis zur Wende leitete.
Dem Schicksal vieler Kollegen, die mit der Auflösung der DDR und Abwicklung von Verlagen und Instituten ihre Auftraggeber verloren, entging Dieter Heidenreich als freischaffender und umtriebiger Grafiker. Neben dem gewohnten und bewährten Handwerkzeug, Pinsel, Feder und Fotokamera, fand er sich auch mit dem neuen digitalen Gestaltungsinstrument Computer, zurecht.
Er bekam neue Aufträge und neue Auftraggeber, illustrierte Schulbücher, gestaltete Kalender mit eigenen Fotos von seinen Reisen nach USA und Mexiko, entwarf Briefmarken und debütierte erfolgreich als Buchautor und Gestalter eigener Bildbände über die Uckermark, Berlin und Brandenburg, hatte eigene Ausstellungen in Berlin, Rostock, Magdeburg, Halberstadt, Singen und Prenzlau und zeigt nun seine grafischen »Kronjuwelen«, die schon im finnischen Lahti und ungarischen Bekescsaba und anderen internationalen Galerien zu sehen waren, endlich auch in seiner Heimatstadt Köpenick, wo sie ein geneigtes Publikum erfreuen mögen.
Hans-Eberhard Ernst, 4. Mai 2023